Der Weg der Retail-Computerspiele-Publisher in den Browsergames-Markt

(21.09.2010, 00:20:00) Immer mehr Publisher von Retail-Games drängen auf den Markt der Browserspiele. Wir beleuchten die Hintergründe und werfen einen Blick in die Zukunft.

Der Markt der Computerspiele befindet sich im Wandel. Während der Umsatz bei den sogenannten „Retail-Games", also Spielen für PC und Konsolen, die in einer Verpackung mit Datenträger im Handel liegen, rückläufig ist, wächst der Markt der Browser- und Free-to-Play-Games. Im Jahr 2009 wurden laut heise.de 200.000 PC-Spiele und 300.000 Konsolenspiele weniger verkauft, als noch im Vorjahr. Gründe hierfür liegen zum einen im Aufkommen der MMORPGs, der Online-Rollenspiele, welche für viele Gamer nicht nur zu einem Suchtverhalten führen, sondern sie dermaßen beschäftigen, dass sie keine anderen Spiele mehr benötigen. Diese Gamer sind zumindest für eine lange Zeit für den Markt verloren. Raubkopien wirken sich im Bereich Retail-Games schon lange Zeit auf die Verkaufszahlen aus, denn die meisten Gamer, die Raubkopien nutzen, werden sich die Spiele nicht kaufen. Aber auch die Wirtschaftskrise spielt eine entscheidende Rolle darin, weshalb immer weniger Retail-Games verkauft werden. Ein Spiel kostet etwa 45 Euro. Eine Ausgabe, die man in Zeiten, in denen das Geld nicht mehr so locker sitzt, mehrfach überdenken muss.

Und genau hier schlagen die Free-to-Play- und Browsergames in eine Kerbe. Wie der Name schon sagt, sind Free-to-Play-Spiele kostenlos - zumindest grundsätzlich. Jeder kann sich das Spiel entweder herunterladen, sich anmelden und losspielen oder - im Fall von Browsergames - einfach die entsprechende Website besuchen, sich registrieren und ebenfalls gleich spielen. Das alles ganz ohne Kosten. Dies ermöglicht es vielen Gamern, ihrem Hobby trotz Geldmangels weiter nachzugehen, ohne zum Raubkopierer zu werden. Das Konzept lockt aber auch völlig neue Zielgruppen an, etwa Gelegenheitsspieler, die beim Surfen im Internet über ein Browsergame stolpern, das sie interessiert und hier ab und zu mal reinschnuppern. Auch Frauen werden zunehmend von Browsergames angesprochen. Laut einer Studie von Casualgames-Entwickler Popcap spielen inzwischen 87% der Frauen zwischen 18 und 65 Jahren. Dieser Markt will bedient werden. Gerade das neu aufgekommene Genre der Social Games auf Sozialen Netzwerken wie etwa Facebook spricht das weibliche Geschlecht mit Puzzle-, Quiz-, oder Aufbauspielen an. Entwickler Zynga fuhr in diesem Bereich mit dem Spiel FarmVille einen enormen Erfolg ein und erzielte laut eigenen Angaben einen Umsatz über $ 450 Millionen im vergangenen Jahr. Hier spielt die soziale Komponente eine entscheidende Rolle. Nebenher im Kontakt mit Freunden stehen, sich austauschen können und vielleicht gemeinsam eine Runde zu spielen, ist für Gelegenheitsspieler und Frauen ein wichtiger Faktor, den Retail-Games nicht bedienen können.

Dies haben inzwischen auch die großen Spielefirmen wie Electronic Arts, Ubisoft und Microsoft erkannt und drängen in den Markt der Free-to-Play- und Browsergames. Im November 2009 etwa kaufte Electronic Arts das Social Gaming-Unternehmen Playfish für $ 400 Millionen, um mit einem starken und erfahrenen Partner in diesem Markt vertreten zu sein. Auch bei den Browserspielen legt der Spielepublisher zu und veröffentlichte dieses Jahr mit Lord of Ultima ein taktisch tiefgründiges Strategiespiel mit sozialer Komponente. Der Online-Fußballmanager Fussballfan, das Autorennspiel Need for Speed: World und das Fußballspiel FIFA Online sind zusätzliche starke Vertreter aus dem Free-to-Play-Markt, die zeigen, wie wichtig dieser Bereich geworden ist.

Ubisoft startete nicht nur einen erfolgreichen Browsergames-Ableger der Might & Magic: Heroes-Strategiespielreihe, sondern bringt auch in Kürze einen neuen Teil der beliebten Die Siedler-Spieleserie auf den Browser. Microsoft dagegen belebt die Age of Empires-Reihe wieder und arbeitet derzeit an Age of Empires Online, das ebenfalls soziale Spielelemente enthalten wird. Tilted Mill, Entwickler der Strategiespiele Caesar IV, Immortal Cities: Children of the Nile und Sim City: Societies betreibt seit über einem Jahr das beliebte Browsergame Immortal Cities: Nile Online.

Und während bisher trotz der Möglichkeit, kostenlos spielen zu können, viele Gamer Browserspiele meist aufgrund schlechter Grafik gemieden haben, steigen die „production values" in diesem Bereich immer stärker an. Spiele wie Die Siedler Online oder Age of Empires Online brauchen sich kaum noch hinter „Retail Games" zu verstecken. Wie erfolgreich ein Unternehmen auf dem Browsergames-Markt sein kann, zeigen die Beispiele Gameforge und Bigpoint. Das Karlsruher-Unternehmen Gameforge erzielte 2009 einen Umsatz im dreistelligen Millionen-Bereich, ebenso die Hamburger Firma Bigpoint. Und während im Retail-Bereich eher Stellen abgebaut werden, suchen Unternehmen im Browser- und Free-to-Play-Markt händeringend nach neuen Fachkräften. Bigpoint etwa stellt momentan 350 neue Mitarbeiter weltweit ein.

Doch wie monetarisieren diese Spiele? Micropayment heißt das Zauberwort. In so gut wie allen Free-to-Play-Spielen gibt es einen Ingame-Shop. In diesem virtuellen Geschäft ist es möglich, gegen echtes Geld Dinge zu kaufen, die sich auf das Spiel auswirken. Darunter fallen etwa Gegenstände, die man sonst sehr lange im Spiel suchen müsste aber auch rein kosmetische Änderungen etwa an der Spielfigur, wie Hüte, Kleidung oder exklusive Begleittiere, sogenannte „Pets". Da all dies nur wenige Euro kostet, drücken Spieler hier eher ein Auge zu, als 45 Euro im Laden für ein Spiel auszugeben oder für ein Online-Rollenspiel 14 Euro Monatsgebühr zu bezahlen. Die Flexibilität, wann und ob etwas bezahlt werden muss, ist ebenfalls ein wichtiger Grund für die steigende Popularität des Free-to-Play-Modells. Hat ein Spieler mal wenig Geld zur Verfügung, so bezahlt er eben eine Zeit lang nichts, kann aber trotzdem weiter spielen. Sollte er über einen Zeitraum nicht spielen können, so muss er keine monatliche Gebühr zahlen oder das Abo kündigen.

Mit den Free-to-Play- und Browser-Games auf dem Vormarsch, ist es nur eine Frage der Zeit, bis weitere Retail-Publisher auf diesen Zug aufspringen. Interessant wird auch, zu sehen, welche Spielemarken den Sprung in diesen neuen Markt schaffen. Auch im Sektor der MMORPGs gibt es derzeit viele Veränderungen. Turbine beispielsweise, welche die ehemaligen Abo-Online-Rollenspiele Dungeons & Dragons Online und Lord of the Rings Online auf das Free2Play-Modell umgestellt haben oder Sony Entertainment, die mit Everquest 2 einen ähnlichen Weg beschreiten. Weitere und vor allem bisher mit dem Abo-Modell nicht so erfolgreiche Genre-Vertreter wie Pirates of the Burning Sea folgen bereits dem Beispiel und das wird erst der Anfang sein. Gerade Turbines Dungeons & Dragons Online beweist, wie erfolgreich diese Umstellung sein kann - die Free-to-Play-Version des MMORPGs steigerte den Umsatz des Unternehmens um 500%! Vielleicht folgt bei solchen Zahlen auch bald ein Warhammer: Age of Reckoning von Electronic Arts. Auch im Strategiespiele-Genre geht es ähnlich zu mit dem bekannten Company of Heroes, welches in den USA vor Kurzem als Free-to-Play-Version gestartet ist. Entwickler Relic überlegt derzeit sogar, das kommende Spiel Dawn of War 3 von Start an mit dem Modell anzubieten.

Auch der Schritt vom Client- zum Browsergame ist nicht mehr weit, da die Technologie immer weiter voranschreitet und Unternehmen davon ausgehen, dass in absehbarer Zukunft keine Clients mehr benötigt werden, um grafisch anspruchsvolle 3D-Spiele komplett im Browser darzustellen. Dies wird schließlich Spiele hervorbringen, welche auf Retail-Niveau stehen werden. Dann hat sich dieser Markt vollends etabliert und die großen Publisher wie Electronic Arts oder Ubisoft werden ganz vorne mit dabei sein.

Autor: Redaktion

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